Freiheit für Myanmar

Protest der Gruppe in Berlin.

Monika Rickert und Lukas Nagel 

Am 4. Februar stehen 200 Menschen bei eisiger Kälte vor dem Auswärtigen Amt in Berlin und protestieren gegen den Militärputsch in Myanmar. Einige mit bur­mesischem Pass, viele aus ganz Deutschland angereist, daneben kleinere Gruppen von Menschenrechtsakti­vist*innen und „wir“. „Wir“ nennen uns inzwischen Initiative „German Solidarity with Myanmar Democracy“. Am 2. Februar, einen Tag nach dem Putsch, videotelefonierten etwa zehn ehemali­ge Fachkräfte erschrocken und wütend zur Lage vor Ort.
Wir fühlen uns verbunden mit Myanmar, einige unserer Aktivist*innen kommen von dort, andere haben dort für den Zivilen Friedensdienst oder in der Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet. Wir waren uns schnell einig: Wir wollen etwas tun! Zwei Tage später schlossen wir uns der Demo der burmesischen Community an. In Myanmar hatte sich sehr schnell friedlicher ziviler Widerstand formiert. Unglaublich kreativ, bunt und schlau. Überall schlossen sich Menschen der Bewegung an. Unter Lebensgefahr, denn die Junta antwortete mit aller Härte. Bis heute werden Menschen verhaftet, gefoltert und gezielt getötet, auch Kinder. Dörfer werden bom­bardiert, Zehntausende müssen fliehen. Darunter auch Leute, mit denen wir zusammen gearbeitet, gelebt und gelacht hatten. „Our lives are lost“, schrieb ein Freund. Neben der Sorge um Freunde und Bekannte fordert der Putsch uns auch auf professioneller Ebene heraus. Wir haben alle im Bereich Frieden und Demokratisierung gearbeitet und eine freiheitliche und menschenrechts­ konforme Entwicklung Myanmars unterstützt. Das haben die Militärs über Nacht zunichte gemacht. Deshalb wollen wir jetzt unser Engagement für den Demokratisierungs­prozess weiterführen.

WAS KÖNNEN WIR TUN?
Diese Frage beschäftigt uns nun seit Monaten. Aus der Gruppe von EZ­ler*innen ist inzwischen eine größere Ini­tiative geworden. 50 Menschen arbeiten direkt mit, über Facebook erreichen wir mehrere Tausend. Es besteht reger Kontakt mit burmesischen Gruppen und manche Aktionen werden weltweit koordiniert, um mehr Druck auszuüben. Wie zum Beispiel im Rahmen des G7­Gipfels:
In dutzenden Ländern gab es Proteste gegen die Militär­diktatur, allein in Deutschland in zwölf Städten, von uns mitkoordiniert.

Dies sind große wahrnehmbare Aktionen, unsere Haupt­arbeit findet aber an anderer Stelle statt:
• Wir informieren Politiker*innen und Journalist*innen zur Situation in Myanmar und stellen Forderungen an die Regierung wie die Nichtanerkennung der Militär­junta.
• Wir setzen uns dafür ein, dass Unternehmen ihre Ge­schäftsbeziehungen mit dem Regime einstellen, wie das erfolgreich beim Münchner Unternehmen Giese­cke und Devrient und teilweise bei Total gelungen ist.
• Wir arbeiten daran, dass der burmesische Militäratta­ché in Berlin ausgewiesen wird.
• Wir sehen die Vertreter*innen der demokratischen „National Unity Government“ (NUG), die vor dem Putsch regierten, als legitime Repräsentant*innen des Landes.
• Wir unterstützen Menschen, die verfolgt werden, und setzen uns für Asyl politisch Verfolgter ein.
• Wir schreiben Artikel, geben Interviews, verteilen Flyer und Sticker und suchen globale Verbündete.


Dies alles erfordert Struktur und Konzept, um effektiv und langfristig zu wirken. Gar nicht so einfach, besonders da wir über ganz Deutschland verteilt leben und Corona persönliche Treffen erschwert. Wir mussten uns also mit uns und unserer Organisation
beschäftigen – was neben der inhaltlichen Arbeit enorm viel Zeit kostet. Digitale Sicherheit, Verfahren basisdemo­kratischer digitaler Abstimmungen, Online Tools, Priori­sierung von Aufgaben, der Einfluss der ständigen Morde in Myanmar auf unsere Psyche und Selbstfürsorge ... es fällt so vieles gleichzeitig an. Dabei unterstützen wir uns gegenseitig. Nach wie vor sind die Leute aus dem ersten digitalen Treffen direkt nach dem Putsch dabei. Aus der Initiative wird derzeit ein Verein, was Vorteile für Organi­sation und Finanzierung bringt. Durch die Beziehungen, die wir während unseres Zivilen Friedensdienstes in Myanmar geknüpft haben, natürlich besonders durch die Burmes*innen in unserem Verein und die professionelle Vielfalt unserer Gruppe, sind wir sehr schnell darin, zu
wissen, was gebraucht wird, und schwierige Fragen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Unser größter Wunsch ist es natürlich, dass die Wider­standsbewegung gewinnt und Myanmar wieder eine demokratische und freiheitliche Zukunft hat. Wir sind ent­schlossen, bis dahin nicht nachzulassen. Jedes Engage­ment ist willkommen!

Weitere Informationen zum Verein finden Sie unter: https://www.solidarity-myanmar.de/

Monika Rickarth war von 2017 bis 2020 mit Brot für die Welt in Myanmar. Sie ist Sozialarbeiterin und M.A. in Intercultural Work & Conflict Management.

Lukas Nagel ist studierter  M.S. in Asienwissenschaften und zertifizierter Peace and Conflict Consultant war von 2017 bis 2019 mit dem WFD in Myanmar.

(erschienen in transfer Ausgabe 1/2021)