25 Jahre forumZFD

Oliver Knabe ist Vorstandsvorsitzender beim forumZFD.

Am 11. Februar 1996 wurde der Verein forumZFD von einer kleinen Gruppe friedensbewegter Menschen gegründet. Im Interview berichtet Oliver Knabe anlässlich des 25jährigen Jubiläums in 2021 über die Anfänge des Vereins, dessen Entwicklung und mit welchen Perspektiven und Wünschen er in die Zukunft schaut. 

Vor 25 Jahren gründeten Friedens- und Menschenrechtsgruppen das forumZFD. Anlass waren die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Welches Ziel hatten die Gründer*innen im Auge?

Es ging damals darum, eine konstruktive Reaktion auf den ersten Krieg in Europa seit 1945 zu zeigen – und zwar eine Reaktion, die über den notwendigen Protest gegen Gewalt und Krieg hinausging. Ziel war es, Verantwortung zu übernehmen und Perspektiven zu entwickeln, die auf einem anderen Verständnis von Konflikten und Konfliktlösung beruhen. Dafür wollten die Gründer*innen Staat und Zivilgesellschaft in die Verantwortung nehmen. Das war die Grundidee des Zivilen Friedensdienstes, ein Programm für Gewaltprävention und Friedensförderung in Krisen- und Konfliktregionen. Schon 1998 unterstützte dann die damalige Bundesregierung das Konzept des Zivilen Friedensdienstes und 1999 konnten wir die ersten Projekte im ehemaligen Jugoslawien sowie in Israel und Palästina starten.

Wie hat sich das forumZFD seit damals entwickelt?

16 Menschen haben im Februar 1996 den Verein forumZFD gegründet und damit einen starken Startimpuls gesetzt: Heute – 25 Jahre später – wird der Verein getragen von 120 Einzelpersonen als Mitgliedern und von über 30 Mitgliedsorganisationen – darunter das Frauennetzwerk für den Frieden, die deutsche Friedensgesellschaft und auch Organisationen mit religiösem Hintergrund wie Pax Christi. In der Geschäftsstelle in Köln sind etwa 50 Kolleg*innen beschäftigt, weitere hundert an unseren Projektstandorten. Insgesamt sind wir in vielen Projekten in 12 Ländern involviert – übrigens auch im Bereich der kommunalen Konfliktberatung in Deutschland. Dann arbeitet auch noch ein großes Netz internationaler Trainer*innen in unserer Akademie für Konflikttransformation.

Der Jugoslawienkrieg liegt lange zurück. Sie engagieren sich aber immer noch in Mazedonien, Serbien und dem Kosovo. Warum ist dies auch heute noch wichtig?

Ja, wir sind nach wie vor im westlichen Balkan aktiv. Da steht die Zivilgesellschaft auch heute noch unter starkem Druck von staatlichen und politischen Kräften, die dieGeschichte des Krieges und viele ältere Konflikte nach wie vor zur politischen Profilierung instrumentalisieren. Ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit dort ist das sogenannte „Dealing with the Past“, der Umgang mit der gewaltbelasteten Vergangenheit und deren Auswirkungen auf das Hier und Jetzt. Ein anderer Schwerpunkt ist die Förderung des interkulturellen Austauschs junger Aktivist*innen in der Region, die gemeinsam an der Überwindung von Stereotypen und Vorurteilen arbeiten.

In anderen Ländern haben Sie erst in den letzten Jahren die Arbeit aufgenommen. Wie kam es dazu, dass Sie beispielsweise in der Ukraine aktiv geworden sind?

Grundlage für die Entscheidung, uns in der Ukraine zu engagieren, war eine umfassende partizipative Konfliktanalyse, in der wir uns mit den vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Konflikten in diesem Land und der Region beschäftigt haben. Diese Analyse führte 2017 dazu, unser Programmbüro in Kiew zu eröffnen. Wir arbeiten dort zusammen mit lokalen Akteuren, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Behörden, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen, um Prozesse der Konflikttransformation voranzubringen. Dazu nutzen wir verschiedene Methoden, wie zum Beispiel Friedensbildung und Theater, um konfliktreiche Themen der Vergangenheit mittels Kunst besprechbar zu machen. Über den Balkan und die Ukraine hinaus haben wir weitere regionale Schwerpunkte im Nahen Osten, vom Nordirak bis zum Libanon, Israel, Palästina und Jordanien – außerdem in Kambodscha und auf den Philippinen.

Wir blicken zurzeit auf das erste Jahr der Corona Pandemie zurück. Wie hat diese die Arbeit des forumZFD geprägt? Die Pandemie hat unsere Mitarbeiter*innen und unsere Partner*innen je nach Standort ganz erheblich getroffen. Sie fordert uns als Organisation auf nahezu allen Ebenen: von der Fürsorge für die Gesundheit der Mitarbeiter*innen über den Umgang mit massiven Einnahmeausfällen – so mussten beispielsweise unsere Spendenläufe in vielen deutschen Städten 2020 ausfallen – bis hin zur fast kompletten Umstellung auf digitales Arbeiten bei unseren Bildungsmaßnahmen. Einige Kolleg*innen konnten auch über längere Zeit nicht an ihre Einsatzorte reisen, teils aus gesundheitlichen Gründen, teils aufgrund der Reisebeschränkungen. Trotz alledem: Wir konnten alle unsere Projekte weiterführen, was mich natürlich sehr freut. Gelungen ist das dank des enormen Engagements unserer Mitarbeiter*innen, des Aufsichtsrates und vieler Unterstützer*innen, die uns geholfen haben, finanziell über die Runden zu kommen. Vieles ließ und lässt sich auch online in der Zusammenarbeit mit den Fachkräften vor Ort umsetzen und hilfreich war auch die Unterstützung des BMZ in Bezug auf Vertragsfragen, die sich in diesem Kontext stellten.

Projekte in der Friedens- und Konfliktarbeit wie auch die Standorte ihrer Arbeit sind anspruchsvoll. Welche Qualifikation sollten Fachkräfte mitbringen?

Das Spektrum der gesuchten Qualifikationen ist groß. Wenn man in Stellenbörsen für Friedensfachkräfte schaut, dann reicht dies von Sozialwissenschaften, Management in der internationalen Zusammenarbeit, Psychologie, Psychiatrie, Sozialarbeit und Medienkommunikation bis hin zu Projektmanagement. Wir schreiben Stellen unter anderem auf unserer Homepage aus und führen anschließend Assessment-Center durch. Neben der formalen Qualifikation legen wir Wert auf eine relevante Berufserfahrung. Und dann müssen unsere Fachkräfte eine adäquate Haltung im Umgang mit Konflikten zeigen. Es ist wichtig, zu reflektieren, wie man selbst in Konflikten und bei Konflikten reagiert und mit diesen umgeht. Bei der Anwerbung von Fachkräften ist es für uns sehr hilfreich, dass unsere Friedensfachkräfte mit Verträgen nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz (EhfG) ausreisen. Damit ist eine umfassende soziale Absicherung verbunden und auch das Beratungsangebot der AGdD verstärkt dieses Leistungspaket – nicht nur für deutsche, sondern für Fachkräfte aus allen EU-Ländern. Und so besetzen wir mittlerweile jede zweite Stelle mit Personen aus einem europäischen Nachbarland.

Welche Rolle spielt die Akademie für Konflikttransformation, die auch zu Ihrer Organisation gehört?

Die Akademie für Konflikttransformation im forumZFD bietet Kurse, Workshops und Seminare zur nachhaltigen Friedensarbeit im In- und Ausland an. Die Kurse finden – wenn wir sie präsent durchführen – in Königswinter bei Bonn statt. Das Programm umfasst sehr unterschiedliche Formate: Vollzeit und Teilzeit, Online und Offline, berufsbegleitende Fortbildungen und Selbstlernkurse. Zum Angebot zählt auch ein Qualifizierungskurs für Zivile Konfliktbearbeitung, der mit einem Zertifikat als Friedens- und Konfliktberater*in abschließt. Darüber hinaus ist die Akademie ein wichtiger Knotenpunkt eines großen Netzwerks von Kolleg*innen aus aller Welt, die hier online oder präsent zusammenkommen und sich austauschen können.

Aus der Historie heraus sind Sie bis heute ein politisch aktiver Verein. Wo liegt aktuell der Fokus Ihrer Arbeit?

Wir waren von Beginn an eine politisch handelnde Organisation – das Engagement für Frieden ist unpolitisch überhaupt nicht zu denken. Schon unser Ursprungsziel, einen Zivilen Friedensdienst überhaupt einzuführen, war ein genuin politisches Ziel: Wir mussten ja politische Entscheidungsträger*innen für diese Idee gewinnen. Heute beobachten wir mit Sorge, dass viele Staaten weltweit die Räume für zivilgesellschaftliches Engagement mehr und mehr einschränken – eine Tendenz, die als Shrinking Space bezeichnet wird. Darum setzen wir uns in Deutschland und weltweit dafür ein, dass das uneigennützige politische Engagement der Zivilgesellschaft wertgeschätzt und unterstützt wird. Was die Friedenspolitik angeht, so engagieren wir uns verstärkt mit Blick auf die Europäische Union – mit einiger Sorge und auch mit Ärger. Die EU ist ja als Friedensprojekt gestartet und hat gerade erst mit dem Beschluss für die sogenannte Friedensfazilität – dahinter verbirgt sich faktisch auch eine Militärhilfe für problematischeStaaten – in unseren Augen den falschen Weg eingeschlagen. Da sorgen wir für Aufklärung und setzen uns dafür ein, diesen Weg zu ändern. Dazu sind wir in Europa gut vernetzt. So sind wir aktuell im engen Kontakt mit Kolleg*innen in Österreich, wo ein vergleichbares Konzept eines Zivilen Friedensdienstes entsteht. Darüber hinaus sind wir als forumZFD in Deutschland in der „Plattform Zivile Konfliktbearbeitung“ aktiv und dann in Brüssel im European Peacebuilidng Liason Office (EPLO), das auf EU-Ebene arbeitet.

Wenn Sie zum Abschluss noch den Blick in die Zukunft richten: Haben Sie Wünsche und eine Vision für den Fachkräfteeinsatz in zehn Jahren?

Wir wünschen uns natürlich ein deutliches Commitment von Regierung und Parlament, die Mittel für den Zivilen Friedensdienst auszubauen. Der Bedarf steigt und wir können ihn nicht decken. Genauso sehr wünschen wir uns eine kohärentere Politik der Bundesregierung in verschiedenen Politikfeldern – in der Außenpolitik, in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und bei den Themen Klima, Flucht, Migration, Teilhabe … da liegen Konfliktpotenziale, die ja letztlich alle zusammenhängen. Und wenn ich nun zehn Jahre vorausblicke, so ist es uns ein Anliegen, in noch größerem Maße Teil eines noch größeren und stärkeren weltweiten Netzwerkes zu sein, in dem wir gemeinsam zur Gewaltprävention und Friedensförderung beitragen. Uns ist es als forumZFD wichtig, dabei eine bewusste Auseinandersetzung mit Rassismus, mit Strukturen der Macht und der Diskriminierung zu führen, in die wir ja auch selbst mit verstrickt sind. Und wir hoffen auch, in zehn Jahren im Rahmen eines wachsenden Süd-Nord-Austauschs mehr Fachkräfte aus dem Globalen Süden im Norden einsetzen zu können. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Knabe.

Das Interview ist im April 2021 erschienen in der AGdD Publikation "Entwicklungsdienst – mehr als nur ein Job", das Interview führte Dieter Kroppenberg

Mehr zum Zivilen Friedensdienst

Die Ausgabe 01/21 des forumZFD Magazins blickt auf 25 Jahre Friedensarbeit des Vereins zurück. Außerdem gibt es eine Jubiläumsbroschüre. Beides kann auf der Website bestellt und auch heruntergeladen werden. 

forumZFD Magazin 01/21

Jubiläumsbroschüre