Interview mit Johannes Rüger
Experte für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation in Belgrad – eine Bilanz
Johannes Rüger studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Medienwissenschaft und internationales Recht in Düsseldorf und Prag (Bachelor) sowie in Gießen (Master). Nach einer mehrjährigen Tätigkeit im Bereich Öffentlichkeitsarbeit von Agenturen und Unternehmen bewarb er sich beim forumZFD um eine Stelle im Westlichen Balkan mit dem Arbeitsort Belgrad.
Er arbeitete zunächst (ab September 2012) als Trainee im Rahmen des Nachwuchsförderprogramms des BMZ und wechselte dann im September 2013 auf die Stelle eines Projektmanagers. In der Funktion betreute er zwei Medienprojekte und kümmerte sich um alle Aufgaben, die mit Medienthemen, also Medienrecht, Urheberrecht oder auch Corporate Design, zu tun hatten.
Außerdem war er in dieser Zeit Gleichstellungsbeauftragter für alle Teams des Forums in der Region. Die Stelle lief volle drei Jahre – bis zum Oktober 2016.
Was waren konkret Ihre Aufgaben im Regionalbüro des Forums in Belgrad?
Ich wurde eingestellt, um innerhalb des Regionalprogramms des Forums in der Region Westbalkan zwei Projekte im Bereich Kommunikation zu betreuen und weiterzuentwickeln. Das war zum einen die Fotoausstellung „Monumenti“, die sich mit den Veränderungen der Geschichtspolitik und der Erinnerungskultur im ehemaligen Jugoslawien auseinandersetzt. Dazu wurden von einem professionellen Fotografen Denkmäler in der gesamten Region dokumentiert, die von den 1920er Jahren bis in die 2000er Jahre entstanden sind.
Im zweiten Projekt ging es darum, Partnerschaften mit verschiedenen Medienhäusern und Journalisten in den vier Ländern aufzubauen, in denen das Forum Teams vor Ort hat: Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien und Serbien. Ziel des Projektes war es, Zeitungen ebenso wie Radio- und TV-Stationen zu ermuntern und zu motivieren, mehr über die Friedensprozesse in den Ländern, über Erfolge und Probleme zu berichten.
Da meine Stelle an die Regionalleitung in Belgrad angebunden war, wurde ich schnell auch mit anderen Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit betraut oder suchte mir Themen in diesem Bereich, die mich interessierten. So organisierte ich Podiumsdiskussionen oder auch Info- und Weiterbildungsveranstaltungen für die Mitarbeiter/innen. Viel Zeit habe ich darauf verwandt, die Arbeit mit Pressespiegeln als Grundlage für eine empiriebasierte Wirkungsanalyse einzuführen. Dazu wurde regelmäßig die Berichterstattung der wichtigsten Medien der Region ausgewertet.
Was war Ihr wichtigstes Projekt? Was bleibt?
Die wichtigste Erfahrung für mich war, mit der Öffentlichkeitsarbeit nach und nach für einen ganzen Bereich Verantwortung tragen und diesen weitgehend eigenständig gestalten und prägen zu können. Bevor ich beim Forum anfing, hatte ich schon ein Jahr als freier Journalist, vornehmlich für Internet-Plattformen, in der Region gearbeitet. Deshalb hatte ich bereits gute Kontakte zu Journalistenkollegen und Medienhäusern. Das kam mir für meine Arbeit natürlich zu pass. Überhaupt waren die engen Arbeitsbeziehungen zu den Redaktionen der wichtigsten Zeitungen, TV- und Rundfunkstationen das, was mir an der Arbeit am meisten Spaß gemacht und was mich am stärksten bereichert hat. Dabei sind auch einige echte Freundschaften entstanden.
Unter den verschiedenen Projekten und Themen, für die ich verantwortlich gewesen bin, war mir die Pressespiegel-Arbeit besonders wichtig. Repräsentative Pressespiegel sind ja eines der wenigen wirksamen Instrumente, um die mediale Resonanz und Wirksamkeit der eigenen Projekte und Aktivitäten zu erfassen und zu messen. Das ist nicht mit der Auswertung von Zeitungen und der Archivierung von Artikeln und Beiträgen getan. Um die Reichweite tatsächlich zu erheben, müssen u.a. Daten, wie Auflagenstärke, Verbreitung und politische Ausrichtung, erfasst und berücksichtigt werden. Dazu habe ich Standards eingeführt und u.a. auch ein Manual verfasst.
Welche Kompetenzen haben Sie während Ihres Einsatzes erworben und erweitert?
Ich habe mich in meiner Arbeit beim Forum ständig weiterentwickelt. Die Kooperation mit den meist privatwirtschaftlich organisierten Medienhäusern verlangte mir viel ab. Da wollte ich natürlich mithalten. Das hat auch die Arbeitsabläufe und Entscheidungen innerhalb des Forums beeinflusst.
Folgende Kompetenzen würde ich an erster Stelle nennen:
- der eigenverantwortliche Aufbau und die Betreuung eines Arbeitsbereiches
- die Anbahnung von Kontakten und die Entwicklung von Netzwerken in einem anderen sprachlichen und kulturellen Umfeld
- die entsprechende interkulturelle Kompetenz
- die fließende Beherrschung der serbischen Sprache und – nicht zu unterschätzen:
- die Fähigkeit, zugleich sensibel und durchsetzungsfähig mit Konflikten umzugehen.
Unter dem Strich sehe ich den Gewinn meiner Tätigkeit als Friedensfachkraft beim forumZFD darin, dass ich mein berufliches Profil als Experte und Praktiker für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation in einem multikulturellen und multiethnischen Arbeitsumfeld vertiefen und weiterentwickeln konnte.
Was machen Sie heute beruflich?
Ich bin heute festangestellter PR-Berater bei der MediaCompany – einer Kommunikationsagentur mit Sitz in Bonn und Berlin. Ich berate dort vor allem Ministerien und EZ-Organisationen. Feste Bestandteile meiner Arbeit sind insbesondere die Kampagnenplanung und die Pressearbeit.
Hat die Tatsache, dass Sie aus dem Entwicklungsdienst kommen, Ihre Chancen bei der Stellensuche eher erhöht oder verringert?
Ich hatte mich schon von Serbien aus auf der Suche nach einer neuen Stelle in Deutschland umgetan. Dabei bin ich schnell fündig geworden. Ich bin im Oktober 2016 zurückgekommen und habe die neue Stelle bereits am 1. November 2016 in Bonn angetreten. Gerade bin ich von Bonn nach Berlin umgezogen, weil sich mein Arbeitsschwerpunkt im Laufe des Jahres mehr und mehr dorthin verlagert hat.
Ich fühle mich sehr wohl in der Agentur. Sie entspricht genau den Kriterien, die bei der Stellensuche für mich zentral waren: Es geht um Öffentlichkeitsarbeit für politische und zivilgesellschaftliche Organisationen mit einem ethischen Anspruch.
Die Kompetenzen, die ich während der Jahre im Westlichen Balkan erworben habe, kann ich auch für die neue Tätigkeit gut gebrauchen. Neben Netzwerken und Arbeiten in interkulturellen Kontexten gilt das vor allem für meine Erfahrungen und Skills im Bereich Projektmanagement.
Das Interview führte Dr. Lutz Schrader. Er ist Politikwissenschaftler und arbeitet seit mehreren Jahren als selbstständiger Autor, Dozent und Berater, insbesondere zu den Themen Friedens- und Konfliktforschung, Konfliktberatung, Kommunikation und Rhetorik sowie Erwachsenenbildung und Wissensmanagement. Er ist – gemeinsam mit Gabriele Keuthen – Autor der Studie „Entwicklungsdienst qualifiziert. Wie Fachkräfte lernen und Kompetenzen entwickeln“.
Stand: Januar 2018
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