Im „Ruhestand“ aktiv als "Senior Experte"
Hartmut Stichel
Anfang der siebziger Jahre – ich hatte gerade meinen Facharbeiterbrief als Werkzeugmacher in der Tasche – konnte ich als Entwicklungshelfer des DED in Tansania meine ersten EZ-Erfahrungen sammeln. Ich habe mich dann im Laufe meines beruflichen Werdeganges insgesamt 14 Jahre in unterschiedlichen Projekten und Organisationen in Peru, Äthiopien und zuletzt als Brot-für-die-Welt-Fachkraft in Ruanda engagieren können.
In dieser Zeit habe ich prägende Erfahrungen und Eindrücke über Arbeit, Alltag und entwicklungspolitische Zusammenhänge im interkulturellen Kontext gesammelt. Ich habe dabei viel über mir bis dahin fremde Länder und Kulturen gelernt – und auch über mich selbst.
Unmittelbar nach dem letzten EZ-Einsatz ging ich in den Ruhestand, allerdings nicht ohne nach Möglichkeiten zu suchen, auch noch im Rentenalter meine Lebens- und Berufserfahrung und die in der EZ erworbenen Kompetenzen sinnvoll zu nutzen. Beim Recherchieren im Internet stieß ich auf den Senior Experten Service (SES), einer in Bonn ansässigen, gemeinnützigen Organisation, welche Ruheständler für ehrenamtliche Kurzzeiteinsätze vermittelt.
Diese Einrichtung entstand aus der Idee heraus, dass jahrzehntelang angesammeltes Fachwissen nicht brachliegen darf. Die Einsatzdauer beträgt dabei mindestens drei Wochen und soll sechs Monate nicht überschreiten.
Das war nun genau das, wonach ich suchte. Ich ließ mich mit meinem beruflichen und persönlichen Profil beim SES registrieren, woraufhin ich mich schon bald auf meinen ersten, viermonatigen Einsatz in Indien vorbereiten konnte. Dort unterstützte ich die Auslandshandelskammer in Pune, die einen dreimonatigen Grundlehrgang in der Metallverarbeitung plante und durchführte. Dieser orientierte sich am deutschen dualen Berufsbildungssystem und fand in Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Industrie statt.
Das Projekt verlief erfolgreich und so erhielt ich im darauf folgenden Jahr erneut eine Einladung, den einjährigen Aufbaukurs zu unterstützen. Und jetzt freue ich mich darauf, bald sogar ein drittes Mal im gleichen Projekt als SES-Senior Experte tätig werden zu dürfen.
Neben den Einsätzen in Indien hatte ich dann noch eine Reihe weiterer kürzerer Einsätze in Ghana, Argentinien, Mexiko und China: Mal stand dabei die Berufsausbildung im Vordergrund, mal ging es um konkrete Lösungen technischer Probleme.
Zurzeit bin ich auf einem zweimonatigen Einsatz in Ruanda, wo ich an Problemlösungen bei der Verknüpfung von Ausbildung und Produktion im kirchlichen Umfeld beteiligt bin.
Nicht nur für mich waren all diese Einsätze stets eine große Bereicherung. Viele positive Rückmeldungen und persönliche Kontakte aus den Projekten geben mir das sichere Gefühl, dass diese Kurzeinsätze auch bei den Partnern positive Impulse hinterlassen haben. Ich hoffe, diese spannenden Aufgaben noch viele weitere Jahre wahrnehmen zu können.
Übrigens: Inzwischen bietet der SES auch jüngeren Menschen ab dreißig ehrenamtliche Kurzeinsätze an. Genauere Informationen findet man unter www.ses-bonn.de.
Hartmut Stichel war von 1973 bis 1975 in Tansania, von 1979 bis 1981 in Peru, von 1998 bis 2000 in Tansania, von 2006 bis 2008 in Äthiopien und von 2009 bis 2013 in Ruanda (erschienen in transfer Ausgabe 2/2017)