10 Jahre GIZ: Interview mit Thorsten Schäfer-Gümbel
Entwicklungshelfer*innen haben eine wichtige Antennenfunktion
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH entstand 2011 aus der Fusion von DED, GTZ und InWEnt. Thorsten Schäfer-Gümbel leitet das Bundesunternehmen als einer von drei Vorständen gemeinsam mit Tanja Gönner und Ingrid-Gabriela Hoven. AGdD-Geschäftsführerin Dr. Gabi Waibel sprach mit Thorsten Schäfer-Gümbel über Rolle, Rahmenbedingungen und Perspektiven des Entwicklungsdienstes bei der GIZ.
Das ganze Gespräch finden Sie in Ausgabe 2021-2 unserer Zeitschrift transfer.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie sind seit Oktober 2019 im Vorstand der GIZ. Davor waren Sie überwiegend in der Kommunalverwaltung und der Politik tätig. Gab es da auch einen entwicklungspolitischen Bezug?
Das Thema begleitet mich schon sehr lange. Ich wollte sogar ursprünglich Entwicklungshelfer werden und habe deshalb begonnen, Agrarwissenschaften zu studieren. Leider musste ich diese Pläne damals aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und andere Wege gehen, aber meinem Interesse für dieses Themenfeld hat das keinen Abbruch getan. Im Hessischen Landtag war ich später mehrere Jahre entwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Wenn wir auf die GIZ als Unternehmen blicken: Welche Bedeutung hat die Personalvermittlung im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit und wo liegen da die großen Herausforderungen?
Ich bin als Arbeitsdirektor verantwortlich für über 23.600 Menschen in 120 Ländern, davon fast 70 Prozent nationale Kolleginnen und Kollegen aus unseren Partnerländern. Ein entscheidender Faktor der Arbeit der GIZ in der Außenstruktur ist, dass wir vor Ort sind und wir unsere Leistungen durch einen Mix verschiedener Personal instrumente erbringen können, basierend auf den Prinzipien der Subsidiarität und Funktionalität. Funktionalität bedeutet, dass Personen die Aufgaben übernehmen, die die gestellten Anforderungen bestmöglich erfüllen, unabhängig von der Vertragsform. Unter Subsidiarität verstehen wir den geringstmöglichen Eingriff im Partnerland: Wo immer möglich, besetzen deshalb qualifizierte nationale Fachkräfte die jeweiligen Positionen vor Ort. Eine der großen Herausforderungen in diesem Zusammenhang ist, dass knapp 60 Prozent unseres entsandten Personals inzwischen in fragilen Kontexten arbeitet. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. So ist auch der Anteil der Standorte, die für die Entsendung von Fachkräften mit Familie geeignet sind, deutlich zurückgegangen. Dann ergeben sich Herausforderungen vor allem aus der Diversität unseres Personalkörpers, nämlich trotz der verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen und der damit verbundenen Leistungssysteme eine gemeinsame Identität zu stiften. Das stellt hohe Anforderungen an unsere Führungskräfte.
Seit 2011 entsendet die GIZ auch Fachkräfte nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz (EhfG). Im Vorstand der GIZ sind Sie als Arbeitsdirektor auch für die Entwicklungshelfer*innen (EH) zuständig. Was genau sind da Ihre Aufgaben?
Ich bin für den gesamten Personalbereich zuständig. Ich trage dafür Sorge, dass die Geschäfte der GIZ nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Beschlüsse der Gesellschafterin sowie unserer Geschäftsordnung in diesem Bereich geführt werden. Natürlich bin ich damit auch zuständig und verantwortlich für die Personengruppe der Entwicklungshelferinnen und -helfer, wobei deren Rahmenbedingungen wesentlich durch das EhfG bestimmt sind und diese auch – im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes – keine Beschäftigten der GIZ sind.
Leider hat die Corona-Pandemie auch unsere Dienstreise-Optionen extrem eingeschränkt. Hatten Sie schon die Möglichkeit zu Begegnungen mit EH in ihren Projekten und Partnerorganisationen?
In der Tat hatte ich seit meiner Amtsübernahme wegen der Corona-Pandemie leider noch keine Möglichkeit, EH in ihren Projekten und Partnerorganisationen kennenzulernen. Wir haben als Vorstand entschieden, die Reiseaktivitäten auszusetzen. Wenn wir als Vorstand reisen, dann lösen wir so viele Aktivitäten und Kontakte aus – das können wir aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht verantworten. Gerade in der Pandemie war es mir aber wichtig, die Probleme und Nöte der Entwicklungshelferinnen und -helfer zu kennen. Dafür haben wir virtuelle Austauschformate ins Leben gerufen und diese sehr intensiv genutzt. Darüber hinaus bin ich im engen Austausch mit der EH-Interessenvertretung*) und dem Thementeam EH**). Und ich hoffe sehr, dass sich mir im nächsten Jahr die Gelegenheit bieten wird, unsere Arbeit vor Ort besser kennenzulernen.
Das Interview ist erschienen in transfer Ausgabe 2/2021 "Soziale Berufe". Das Gespräch führte AGdD-Geschäftsführerin Dr. Gabi Waibel.