Der Entwicklungsdienst als Bonner Idee für die Welt – der Historiker Rainer Selmann im Interview
Seit über 20 Jahren bietet der Bonner Historiker Rainer Selmann äußerst lehrreiche und unterhaltsame Stadtspaziergänge durch die Bundesstadt an – von Tannenbusch über die „wahre“ Altstadt bis hin zum Regierungsviertel. Im Juni 2024 ist es 55 Jahre her, dass das Entwicklungshelfer-Gesetz in Bonn verabschiedet wurde. Zu diesem Anlass hat Rainer Selmann einen speziellen Stadtspaziergang zum Thema entwickelt. Wir haben ihn gefragt, was er dabei gelernt hat.
Kannten Sie das Entwicklungshelfer-Gesetz? Welches Bild von Entwicklungsdienst hatten Sie im Kopf, als die Anfrage der AGdD kam?
Ich muss gestehen, dass ich das Entwicklungshelfer-Gesetz nicht kannte, ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal davon gehört. Wenn überhaupt habe ich den Entwicklungsdienst beim BMZ verortet. Auch wenn ich selbst im Ausland war, so spielten die Entwicklungsdienste für mich keine Rolle. Bei der Beschäftigung mit Bonner Stadtgeschichte traten sie nur peripher auf, so bei der Geschichte von Oscar Romero (Oscar-Romero-Haus).
Was hat Sie an der Aufgabe gereizt und was haben Sie bei den Recherchen gelernt?
Neue Felder sind immer interessant und mit der Zeit bekam ich auch einen Überblick. Überzeugt war ich von einer Realisierung bei der Anfrage zunächst nicht, aber das hat sich mittlerweile geändert. Ich habe sehr viel gelernt und kann das gar nicht alles im Einzelnen auflisten, aber die Dinge spielen dann bei den Spaziergängen eine Rolle, z. B. dass es sieben anerkannte Entwicklungsdienste gibt. Gehört hatte ich zuvor nur von den Marken „Brot für die Welt“ und „Misereor“, oft nur im Zusammenhang mit Spenden. Die Schwierigkeiten, die bei Rückkehrerinnen und Rückkehrern aus der internationalen Zusammenarbeit auftreten, waren mir zunächst nicht bekannt und zeigten mir, wie entscheidend das EHfG war.
Welcher historische „Fund“ war für Sie am verblüffendsten?
Überrascht hat mich, dass das BMZ bei Gründung 1961 gar kein eigenes Gebäude hatte und stattdessen das Restaurant im Bundeshaus nutzte. Die Person (Biografie) von Erhard Eppler fand ich spannend, da diese auch Widersprüche aufweist und er selbst damit ehrlich umging. Zudem war die Gleichstellung der Arbeit bei den Entwicklungsdiensten mit dem Wehrdienst durch das EhfG für mich als Kriegsdienstverweigerer eine „Entdeckung“.
Ihre Stadtspaziergänge haben immer den lokalen Bezug zu Bonn; diesmal ging der Blick jedoch auch von Bonn in die Welt. Wie hat Ihnen diese internationale Perspektive gefallen?
Der lokale Bezug bleibt ja auch bei diesem Spaziergang mit den Gebäuden, das Thema ist diesmal anders gelagert. Spannend ist das Umsetzen von „großer Geschichte“ auf die kleine Ebene. Da aber Bonn eine lange Tradition als Hauptstadt hat, zunächst Kurfürstentum Köln dann Bundesrepublik, ist auch schon immer ein internationaler Bezug gegeben.
Wem würden Sie den Spaziergang empfehlen?
Den Spaziergang würde ich allen Erwachsenen empfehlen, denn jeder wird etwas Neues erfahren, selbst wenn man schon im Regierungsviertel war oder sogar dort arbeitet.
Termine und Anmeldung
Die kostenlosen Stadtspaziergänge finden am 26.05. und am 30.06. statt – weitere Termine sind in Planung. Um teilzunehmen, ist eine Anmeldung notwendig.
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