Interview mit Rückkehrerin Eva Becker
Kompetenz im Gepäck – zurück aus Burkina Faso
Eva Becker (Jg. 1985) hat in Bayreuth (Bachelor in Kultur und Gesellschaft Afrikas, Hauptfächer: Ethnologie und Entwicklungssoziologie, Nebenfach: Recht in Afrika) und in Uppsala (Master in Development Studies) studiert. Außerdem absolvierte sie am Seminar für Ländliche Entwicklung in Berlin ein einjähriges Post-Graduiertenstudium, das gezielt auf den Einsatz in der internationalen Zusammenarbeit vorbereitet.
Nach einem Auslandsprojekt in der DR Kongo im Auftrag der KfW im Rahmen des Studiums am SLE zum Thema Mikrofinanzen und ökonomisches Empowerment ist sie im Juli 2013 für die GIZ nach Burkina Faso ausgereist. Bis Januar 2016 arbeitete sie als Fachkraft in einem Dezentralisierungsprogramm (Good Governance). Ihr Schwerpunkt war die Förderung und Beratung von Zusammenschlüssen zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Gemeindeebene – sog. Coordinations Communales des Organisations de la Société Civile (CCOSC). Ihr Einsatzort war Gaoua, die Regionalhauptstadt der Region Süd-West.
Was haben Sie konkret in Burkina Faso gemacht? Mit welcher beruflichen Aufgabe sind Sie in den Einsatz gegangen?
Im Programm für Dezentralisierung und Kommunalentwicklung war ich in der Komponente angesiedelt, die sich um die Beziehung zwischen den Gemeinden bzw. den kommunalen Mandatsträgern und den zivilgesellschaftlichen Organisationen gekümmert hat.
Meine Aufgabe war es, gemeinsam mit den burkinischen Kollegen in der Region Süd-West die Koordinationen der zivilgesellschaftlichen Organisationen zu beraten und zu unterstützen. Für die Gemeinden hat das den Vorteil, dass sie einen einheitlichen Ansprechpartner innerhalb der Zivilgesellschaft haben. Die Coordinations sind meist nach Themen gegliedert und können Anfragen an die entsprechenden Mitgliedsorganisationen weiterverweisen.
Wenn beispielsweise der Bürgermeister von Gemeinde X etwas im landwirtschaftlichen Bereich organisieren möchte und sich dazu Unterstützung der Zivilgesellschaft wünscht, kann er sich an die Koordination wenden, die ihn dann an die Mitgliedsorganisationen weiterleitet, die in diesem Bereich die beste Expertise haben. Ziel der Beratung war es, auf eine Professionalisierung der Koordinationen hinzuwirken und zu einer verbesserten Kommunikation und Kooperation mit den Gemeinden beizutragen.
In der ganz konkreten tagtäglichen Arbeit ging es darum, Treffen zu organisieren - mit einer Koordination oder mit einer kommunalen Verwaltung oder auch mit beiden zusammen. Wir organisierten auch Netzwerktreffen zwischen verschiedenen Koordinationen aus verschiedenen Gemeinden, um zu schauen, wo es möglicherweise hakt, wo es gut oder vielleicht auch nicht so gut funktioniert. So lernten sich die Verantwortlichen kennen und konnten sich untereinander vernetzen und voneinander lernen.
Was war Ihr wichtigstes Projekt? Was bleibt?
Im Rahmen meiner Tätigkeit gewann ich Einblick in die Strukturen und Funktionsabläufe innerhalb der verschiedenen Partnergemeinden, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Durch die Zusammenarbeit mit den lokalen Gewählten und Gremien jeder Gemeinde sowie den Koordinationen, fiel mir auf, dass Frauen insgesamt nur sehr schwach repräsentiert waren. In den Gemeinderäten gab es meist nur sehr wenige Frauen und auf verantwortungsvolleren Posten, wie beispielsweise eines stellvertretenden Bürgermeisters, noch seltener.
Zudem hatte ich beobachtet, dass die wenigen Frauen, die anwesend waren, nur selten das Wort ergriffen, und wenn sie es taten, häufig nicht ernst genommen wurden bzw. darauf auch nicht gut vorbereitet waren. So fing ich an, gemeinsam mit meinen Kollegen und der Genderbeauftragten der GIZ in Burkina gezielt für die Frauen aus Gemeinderäten und Zivilgesellschaft, aber auch engagierte Frauen aus den Gemeinden und Journalistinnen Veranstaltungskonzepte zu erarbeiten. Es ging zunächst darum, den Frauen einen geschützten Raum für Erfahrungsaustausch zu eröffnen. Das war für sie etwas ganz Neues!
Es kam sehr gut an. Im nächsten Schritt haben wir dann Inhalte zu grundsätzlichen politischen und strukturellen Abläufen in den Gemeinden vermittelt, aber auch ganz gezielt rund um das Thema Kommunikation: Wie bereite ich mich auf einen Redebeitrag vor? Was kann ich tun, um gehört zu werden – also ganz praktische Dinge: Stand, Stimme, Blickkontakt, Umgang mit Störungen. In Gruppenarbeiten haben die Frauen zum Schluss fiktive politische Reden zu vorgegebenen Themen formuliert und diese dann vor allen anderen gehalten. Dabei wurden sie gefilmt, anhand von Auswertungsbögen beurteilt und erhielten hinterher ein persönliches Feedback. Die Veränderungen und Fortschritte waren beeindruckend!
Auch die Unterstützung der Frauen untereinander in den Gemeinden hat zugenommen. Nach meiner Rückkehr werden die Veranstaltungen von meinen Kollegen in Burkina weitergeführt. Das ist für mich sehr schön und befriedigend.
Wenn Sie zurückschauen: Welche Kompetenzen haben Sie während Ihres Einsatzes erworben und erweitert?
Die Kompetenzen, die ich mir angeeignet und erweitert habe, sind vielfältig. An erster Stelle würde ich kommunale Entwicklung, Dezentralisierung sowie Gleichstellungsarbeit und Frauenförderung auf lokaler Ebene nennen. Außerdem habe ich in der täglichen Zusammenarbeit Fähigkeiten, wie interkulturelle Kompetenzen, Beratungstätigkeit, Veranstaltungsorganisation, inklusive Moderation, Präsentation, Dokumentation, sowie Flexibilität und Umgang mit Unvorhergesehenem, entwickeln können. Nennen würde ich auch noch die Kompetenz, Aushandlungsprozesse intern und gemeinsam mit den Partnern zu begleiten, Planungen und Entscheidungen zu koordinieren, Spannungen auszuhalten bzw. zu klären. Meine sehr guten Französischkenntnisse sind selbstverständlich ein weiterer Aspekt.
Besonders wichtig für mich persönlich war die Begleitung der Frauenveranstaltungen, weil sich dadurch bei mir der konkrete Wunsch herauskristallisiert hat, diesen Bereich beruflich weiter zu vertiefen.
Sie haben die Frauenförderung als Ihr zweites berufliches Standbein bezeichnet. Hat das bei der beruflichen Orientierung nach Ihrer Rückkehr eine Rolle gespielt?
Die Entsendung nach Burkina Faso war ja meine erste „richtige“ Stelle nach dem Studium. Und in der Tat haben meine Erfahrungen in Burkina Faso und insbesondere die Arbeit mit und für Frauen meine berufliche Orientierung nach der Rückkehr entscheidend beeinflusst. Deshalb habe ich mich auch gezielt in interkulturellen und internationalen Bereichen beworben, in denen ich diese Kompetenzen einsetzen konnte. Ich hatte auch eine telefonische Beratung der AGdD in Anspruch genommen, was zusätzlich hilfreich war.
Letztendlich entschied ich mich für eine Stelle als Beraterin und Bildungsreferentin bei einem Verein in Lübeck, der Frauen im Arbeitsleben berät bzw. bei ihrem beruflichen Wiedereinstieg unterstützt. Ein Schwerpunkt war die Beratung von geflüchteten Frauen. Dieser Punkt war für mich die perfekte Schnittstelle zu meiner vorigen Tätigkeit im Entwicklungsdienst. In diesem Bereich konnte ich meine neu erworbenen Kompetenzen sehr gut einbringen.
Das Interview führte Dr. Lutz Schrader. Er ist Politikwissenschaftler und arbeitet seit mehreren Jahren als selbstständiger Autor, Dozent und Berater, insbesondere zu den Themen Friedens- und Konfliktforschung, Konfliktberatung, Kommunikation und Rhetori sowie Erwachsenenbildung und Wissensmanagement. Er ist – gemeinsam mit Gabriele Keuthen – Autor der Studie „Entwicklungsdienst qualifiziert. Wie Fachkräfte lernen und Kompetenzen entwickeln“.
Stand: Januar 2018
Mehr zum Thema Kompetenzbilanz