Vom Entwicklungsdienst in den Aufsichtsrat der GIZ
Louisa Sedjro
Ich bin 2014 eher zufällig zur GIZ gekommen. Ich war in meinem Rechtsreferendariat und habe für meine Wahlstation eine Tätigkeit in der Nähe von Togo gesucht. Ich bin gebürtig aus Togo, habe die doppelte Staatsangehörigkeit und vereine somit beide Länder und Kulturen. Nach einer Mail an die Projektleiterin des GIZ-Dezentralisierungsprojektes in Togo hatte ich einige Wochen später meinen Praktikumsvertrag im Briefkasten. Die folgenden Monate haben mein Leben geprägt: Ich war überwiegend in der kleinen Stadt Tsévié eingesetzt – zusammen mit einer nationalen GIZ-Fachkraft, der bis heute wie ein großer Bruder für mich ist, und einer entsandten GIZ-Fachkraft. Es war für mich wie nach Hause kommen – ich arbeitete knapp 20 Kilometer von meiner Familie entfernt, die Leute sprachen meine Muttersprache Ewe und viele kannten meinen Familiennamen. Nach drei Monaten haben alle bedauert, dass ich wieder gehen sollte. Und so kam ich genau ein Jahr später wieder – nun, um dort Entwicklungsdienst zu leisten. Bereits während des Dienstes bewarb ich mich im gleichen Vorhaben auf eine Stelle als Juniorberaterin. Was dann kam, war für mich eine der schmerzhaftesten Erfahrungen meines Lebens: Plötzlich gab es ein formales Hindernis: Ich war nämlich auf einmal Togoerin! Ich verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte ich als Deutsche zum Entwicklungsdienst nach Togo geschickt werden, um dann zu hören, dass ich nicht deutsch sei und deswegen nicht als entsandte Mitarbeiterin arbeiten könne? Obwohl ich, wie mir mitgeteilt wurde, die beste Bewerberin war, gab es eine Absage – dann aber zeitgleich das Angebot, meinen EH-Vertrag zu verlängern. Die Entsendung auf die Stelle als Juniorberaterin war nicht möglich, die in den Entwicklungsdienst aber doch? Komplett verwirrt verabschiedete ich mich daraufhin mit viel Frust aus Togo und bin zurück nach Deutschland – meine erste Heimat.
Unternehmensdiskurs: Diversität, Diskriminierung und Rassismus
Zur allgemeinen Überraschung erhielt ich hier die Stelle der GIZ-Vorstandsreferentin. Jetzt konnte ich allerdings immer die verwunderten Blicke spüren, wenn ich als Schwarze Person in den Meetings saß. Die überraschten Gesichter in der Zentrale und auf Dienstreisen, wenn man erfuhr, dass nun eine Person afrikanischen Hintergrunds beim Vorstand arbeitete. Ich verstand das Unternehmen nicht mehr. Warum verwundert es so sehr, dass eine afrikanisch-stämmige Person für den Vorstand tätig ist? Und wenn schon die Arbeit FÜR den Vorstand so große Verwunderung auslöst, würde es wohl jemals möglich sein, dass eine Person, die so aussieht wie ich, einmal Vorstandsmitglied wird? Mit diesen Fragen im Kopf kam ich mit immer mehr Kolleg*innen ins Gespräch. Kolleg*innen, die selbst nicht weiß waren und auch das Gefühl hatten, nicht so recht dazuzugehören. Ich habe Menschen gefunden, die genau wie ich etwas verändern wollten. Die den Willen hatten, ihre Daseinsberechtigung in der GIZ und in der Entwicklungszusammenarbeit zu diskutieren und kritische Themen zu Diskriminierung, Rassismus und Diversität anzusprechen. So entstand 2018 die GIZ Cultural Diversity Initiative (CDI) mit mittlerweile mehr als 240 Mitgliedern aus dem Inund Ausland. Die CDI ist eine Interessenvertretung und ein informelles Netzwerk von Kolleg*innen mit einem diversen ethnisch-kulturellen Hintergrund, die sich selbst als Schwarze Menschen sowie People of Color (Black, Indigenous and People of Color, kurz: BIPoC) identifizieren. Wir engagieren uns ehrenamtlich in der unternehmenspolitischen Debatte zur ethnischen und kulturellen Vielfalt und verstehen uns als Stimme zur Förderung des Dialogs über Vielfalt, Inklusion und Intersektionalität. Die letzten fünf Jahre haben wir den Unternehmensdiskurs zu den Themen Diversität, Diskriminierung und Rassismus geprägt, Strukturen gefordert und auch Mitarbeiter*innen gefördert. Neben CDI haben wir gemeinsam mit der Mitarbeiter*innen-Initiative giz.postcolonial das Netzwerk CDI&Allies gegründet, in dem BIPoCs und weie Kolleg*innen gemeinsam aktiv werden.
Als erste Schwarze Frau im Aufsichtsrat der GIZ
2022 war für die GIZ ein „Superwahljahr“. Im Mai wurden die örtlichen Betriebsräte neu gewählt und im Juli die Arbeitnehmer*innenvertretungen im Aufsichtsrat. Für uns als Mitarbeiter*innen-Initiativen boten diese Wahlen die Möglichkeit, Mitglieder in die Mitbestimmungsgremien zu bringen. Für die Betriebsratswahlen haben wir uns bereits existierenden Wahl-Listen angeschlossen. Für die Aufsichtsratswahl haben wir uns jedoch mit den Mitarbeiter*innen-Initiativen Rainbow Network, giz.postcolonial sowie der Gesamt-Schwerbehindertenvertreterin zusammengeschlossen, um als eigene Liste UNITED anzutreten. Unsere Liste wurde, obwohl wir neu waren, an allen Standorten zur stärksten gewählt und wir stellen nun zwei Sitze im Aufsichtsrat. Damit werde ich als erste und bisher einzige Schwarze Frau in der Geschichte im Aufsichtsrat der GIZ – einem Bundesunternehmen mit über 26 000 Mitarbeiter*innen weltweit – sitzen. Wie viel dies für die Mitarbeiter*innen bedeutet, haben uns die vielen Nachrichten nach unserem Wahlsieg gezeigt. Ich bin sehr froh, in der GIZ viele Gleichgesinnte gefunden zu haben, mit denen ich jeden Tag aufs Neue unter Beweis stellen kann, dass Menschen wie ich das Recht und die Kompetenz haben, mitzugestalten und mitzuentscheiden. Und ich hoffe, dass wir dies bald nicht mehr beweisen müssen, sondern dass es zur Selbstverständlichkeit wird. Und wer weiß, vielleicht erlebe ich ja sogar noch ein Schwarzes Vorstandsmitglied in der GIZ.
Der Artikel erschien in Facetten der Rückkehr - transfer 01/2022