Interview mit Karrierecoach Silke Grotegut

LinkedIn strategisch für die Karriere nutzen

Karrierecoach Silke Grotegut

Nach 14 Jahren als Personalerin und Sparringspartnerin von Führungskräften beim DAX-Konzern Deutsche Telekom AG weiß Silke Grotegut, wie HR-Abteilungen ticken. Seit 2015 unterstützt sie als selbstständige Karriereberaterin Menschen bei deren beruflicher Neupositionierung. Einer ihrer Schwerpunkte liegt dabei im Aufsetzen oder der Optimierung von persönlichen Profilen bei XING und LinkedIn, um der Entwicklung am Recruitingmarkt Rechnung zu tragen und ihren Kunden Zugang zum verdeckten Arbeitsmarkt zu verschaffen.

Warum das so wichtig ist und worauf es dabei ankommt, verrät sie im Interview. 

Frau Grotegut, Sie haben gerade ein Buch geschrieben „Karriere machen mit XING, LinkedIn & Co.“. Warum werden Social-Business-Netzwerke immer wichtiger für die eigene Karriere?

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die meisten Jobs werden schon heute nicht mehr ausgeschrieben, sondern unter der Hand vergeben. Je höher die Position, desto größer ist dieser sogenannte verdeckte Arbeitsmarkt. Außerdem hat sich die Arbeit in den Personalabteilungen mit der Digitalisierung und dem zunehmenden Fachkräftemangel branchenübergreifend verändert. Einzige Ausnahme ist bisher vielleicht noch der Öffentliche Dienst. Ansonsten warten Personaler nicht auf eintrudelnde Bewerbungen, sondern bemühen sich proaktiv um kompetente Kandidat*innen für die zu besetzenden Stellen. Und wo betreiben sie dieses sogenannte Active Sourcing? In ihrem Netzwerk, über Headhunter und über die Suchmasken der Social-Business-Netzwerke.

Wer nicht über ein Xing- oder LinkedIn-Profil verfügt, hat daher gar nicht erst eine Chance, in den Suchen der Personaler und Headhunter aufzutauchen. Durch die Abstinenz auf Business-Netzwerken ist man für potenzielle Arbeitgeber und diesen verdeckten Stellenmarkt im Grunde unsichtbar. Das bedeutet: Größere Karriereschritte werden immer unwahrscheinlicher, zumindest werden sie immer mühsamer erreicht.

Aber noch ein zweiter Aspekt ist wichtig: Die Social-Business-Netzwerke ermöglichen es, das eigene Netzwerk enorm auszuweiten. Und ein gutes und belastbares Netzwerk ist und bleibt ein wichtiger Karrierefaktor. Dabei müssen Sie die Menschen noch nicht einmal persönlich getroffen haben oder können durch LinkedIn auch internationale Kontakte knüpfen und aufrechterhalten.

Viele haben bereits ein LinkedIn-Profil, aber noch keinen Job oder Jobangebote darüber bekommen. Ist es sinnvoll, anzugeben, dass man arbeitssuchend ist, oder was muss man beachten, um mit Hilfe von LinkedIn tatsächlich die eigene Karriere anzukurbeln?

Wer tatsächlich nach einer neuen Herausforderung sucht, sollte das ruhig angeben. Allerdings mit der Einschränkung, dass es ausschließlich für Recruiter sichtbar ist. Der Fokus sollte ansonsten aber auf dem eigenen Profil liegen, denn Sie qualifizieren sich ja nicht durch Ihre Verfügbarkeit, sondern über Ihr Know-how.

Die meisten machen bei ihrem Profil den Fehler, dass sie es einfach nur wie einen digitalen Lebenslauf behandeln. Sie melden sich an, tragen ihre beruflichen Stationen ein und dabei bleibt es dann. Dabei bietet gerade Linkedin mit den verschiedenen Rubriken die Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen sichtbar zu machen (eine Checkliste zu den einzelnen Rubriken und worauf es beim Ausfüllen ankommt, finden Sie weiter unten) und das eigene Profil mit der Zielgruppe im Hinterkopf aufzusetzen. Zur Zielgruppe gehören meist ein Teil des eigenen Netzwerks, potenzielle Arbeitgeber sowie Recruiter und Headhunter. Häufig suchen Letztere nach bestimmten Qualifikationen und die Sozialen Netzwerke spucken eine Ergebnisliste aus. Wie bei klassischen Suchmaschinen wie Google und Co. sind nur die ersten Ergebnisse relevant. Dort sollte daher im besten Fall auch das eigene Profil auftauchen. Der Algorithmus bleibt im Ganzen zwar ein Geheimnis, aber einige Ranking-Parameter sind durch Erfahrungswerte bekannt. LinkedIn beispielsweise rankt Profile besonders gut, die eine hohe Dichte an relevanten Keywords enthalten, über viele Kontakte verfügen, eine hohe Interaktionsrate haben und eigenen Content erstellen.

Das bedeutet für die Praxis:

  • Das eigene Profil mit möglichst vielen Keywords unterfüttern, die für den eigenen Job wichtig sind oder für den, den man in Zukunft haben möchte.
  • Bannerbild und Slogan nutzen, damit Besucher direkt einen Eindruck bekommen, warum sich eine Vernetzung oder Kontaktaufnahme lohnt.
  • Das eigene Netzwerk kontinuierlich ausbauen.
  • Beiträge anderer Netzwerk-Mitglieder kommentieren und liken und am besten
  • eigene Posts erstellen, die für andere interessant sein könnten und Mehrwert bieten.

Das klingt nach einer Menge Arbeit ...

Das Profil aufzusetzen ist einmalig tatsächlich mit etwas Aufwand verbunden. Wer vorher gut reflektiert, wie er sich sinnvollerweise selbst darstellt und präsentiert, der braucht sich damit erst einmal eine ganze Weile nicht mehr beschäftigen. Gerade in Branchen mit wenigen begehrten Stellen lohnt es sich, Persönlichkeit zu zeigen – und so aus der Masse hervorzustechen. Das gelingt nur, wenn die einzigartige Kombination aus Kompetenzen, Erfahrungen und Persönlichkeit, die jede*r in sich vereint auch nach außen kommuniziert und erkennbar wird. Zeigen Sie, was Sie beruflich machen, wofür Sie stehen, wo Ihre Leidenschaften liegen, Ihre Herangehensweise an Dinge und auch ruhig, was Sie suchen. Wer tatsächlich auf der Suche ist oder ein klares Karriereziel hat, sollte die eigene Zielgruppe beim Aufbau des Profils klar im Auge haben und auf ihre Interessen ausrichten. Welche Probleme und Herausforderungen haben die entsprechenden Arbeitgeber beispielsweise? Wieso sind Sie für die damit verbundenen Aufgaben besonders interessant? Wer sich damit näher befassen will, kann die Fragen in meinem Social Media Profil Canvas (siehe unten) für sich beantworten.

Das eigene Netzwerk auszubauen und mit ihm zu interagieren – das ist tatsächlich eine kontinuierliche Aufgabe, aber gar nicht so aufwendig, wie so mancher denkt. Mit wenigen Minuten am Tag ist es meist getan und äußerst lohnenswert. Beim Netzwerken geht es vor allem um Qualität statt Quantität, aber auch darum, strategisch vorzugehen und sich nicht nur mit Kolleg*innen zu vernetzen, sondern auch mit potenziellen Arbeitgebern, Multiplikator*innen, Referenz- und Informationsgebern.

Wie finde ich wichtige Kontakte für mein Netzwerk und wie spreche ich sie an?

Ein attraktives, auf die Zielgruppe ausgerichtetes Profil erhöht schon einmal die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Kontaktanfragen angenommen werden. Die größte Hürde beim Netzwerkausbau, vor allem mit bisher unbekannten Menschen, ist unser eigener Kopf. Verfallen Sie nicht dem Glauben, Sie sind ein Bittsteller, wenn Sie eine Kontaktanfrage schicken. Sie haben schließlich etwas zu bieten. Wenn Sie unsicher sind, schreiben Sie, was Sie mit der Person verbindet oder was Sie besonders spannend an ihrer Arbeit finden. Gibt es einen Arbeitgeber, zu dem Sie gerne wechseln würden, schreiben Sie ruhig Menschen an, die bereits dort arbeiten und stellen Sie Fragen zum Arbeitsalltag. Solche Informationen können, wenn es drauf ankommt, ein entscheidender Vorteil sein. In der Regel sind die meistens auskunftsfreudig und hilfsbereit, aber denken Sie daran, dass ein Netzwerk aus Geben und Nehmen besteht. Am besten auch in genau der genannten Reihenfolge. Überlegen Sie daher auch immer, welche Informationen könnten für Ihr Netzwerk relevant sein und seien Sie großzügig.

Sie meinen in persönlichen Nachrichten oder in öffentlichen Beiträgen?

Im besten Falle beides. Handelt es sich um eine Information, die nur einen ganz kleinen Kreis interessiert, ist es natürlich persönlicher, das über private Nachrichten zu machen. Auch ist das ein guter Weg, jenseits von Geburtstagen, immer mal wieder einzuchecken und zu hören, wie es geht und was es so Neues gibt, ohne dass man etwas will.

64 Prozent aller Mitglieder bei LinkedIn lesen nur mit ohne eine Reaktion zu hinterlassen und nur 4,9 Prozent produzieren tatsächlich eigenen Content – ein erschreckend kleiner Teil. Das ist aber gleichzeitig eine riesen Chance: Wer aktiv wird, fällt schnell ins Auge. Regelmäßiges Posten, Liken und Kommentieren heißt nämlich auch, dass Sie öfter auf der Startseite Ihres Netzwerkes zu sehen sind. Wenn Sie dort noch über den Mehrwert Ihrer Inhalte auffallen, bringt man Sie häufig direkt mit Ihrem Fachthema in Verbindung. Außerdem tauchen Sie beim Kommentieren von Beiträgen anderer mit Ihrem Bild unter den Posts auf. Kommentieren Sie immer wieder hilfreich und mit Mehrwert bei Meinungsführer*innen oder in Diskussionen zu Ihrem Fachgebiet, erzeugen Sie Aufmerksamkeit und den Wunsch, sich mit Ihnen zu vernetzen.

Gibt es Bedenken bezüglich des Datenschutzes bei der Nutzung von Sozialen Business Netzwerken?

In den Einstellungen bei LinkedIn können Sie sehr gut die eigene Sichtbarkeit beeinflussen und festlegen, wer welche Informationen bekommt und wie Ihr Profil gefunden werden kann. Vor der Optimierung lohnt sich daher, die ganzen Einstellungen einmal durchzugehen. Ansonsten gilt: Natürlich keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben, aber ruhig offen und ehrlich auch mit Herausforderungen und Problemen umgehen, mit denen man konfrontiert ist.

Die ersten Posts und Beiträge stellen für viele eine Hürde dar. Haben Sie Tipps, wie man das angeht?

Der erste Post ist immer der schwierigste. Wahrscheinlich wird der erste auch nicht so gut wie Ihr einhundertster. Mit der Zeit wird es aber immer leichter und Sie werden immer besser. Manchmal sind wir so tief in unseren eigenen Themen, dass uns gar nicht bewusst ist, wie neu und spannend etwas für andere ist. Manchmal reicht es auch schon, sich Inspiration bei Profilen anderer zu holen, die man selbst interessant findet oder mit anderen ins Sparring zu gehen.

Hier drei leicht umsetzbare Ideen für einen Post:

  • Inhalte von anderen kuratieren: Sie haben online einen interessanten Artikel zu Ihrem Fachgebiet gelesen. Kopieren Sie den Link und schreiben Sie einen kurzen eigenen Text dazu: Was hat Sie überrascht? Was war neu? Wo sehen Sie Herausforderungen? Oder fassen Sie die wichtigsten Punkte in einem kurzen Post für Ihr Netzwerk zusammen.
  • Aktuelle Entwicklungen: Waren Sie auf einer Messe, einem Kongress, einer Weiterbildung, haben Sie eine neue Studie gelesen? Dann schreib doch einen kurzen Beitrag dazu, was Sie gelernt haben. Oder Sie posten ein Bild oder eine Grafik aus Ihrem Fachgebiet und zeigen, wie Sie dazu stehen, auf welche Gedanken Sie das bringt oder was daraus für die Zukunft folgt.
  • An einem Event teilnehmen: LinkendIn bietet eine Menge meist kostenfreie Events, die Sie über die Suche mit dem Filter „Event“ finden können. Wenn Sie an einem Event teilnehmen und es Ihrem Netzwerk empfehlen möchten, teilen Sie es und schreiben am besten noch ein bis fünf Sätze dazu, warum Sie teilnehmen und worauf Sie gespannt sind. Fertig ist Ihr Beitrag.

Literatur und Link-Tipps

Zur Website der Autorin 

Arbeitsblätter zur Optimierung des LinkedIn Profils 

Checkliste für das LinkedIn Profil

Social Media Profil Canvas zum Reflektieren der eigenen Zielgruppe

Weiterlesen:

Grotegut, Silke: 30 Minuten Karriere machen mit XING, LinkedIn und Co.

Blindert, Ute: LinkedIn: Sichtbar mit Profil und Unternehmensseite. Die schnelle Einführung.

LinkedIn Learning: über 600 Kurse zum Thema LinkedIn, die man sich mit einem Gratismonat erst einmal ansehen kann: https://www.linkedin.com/learning/