Entwicklungsdienst

Wie sehen eigentlich die Vertragsbedingungen aus?

Jede*r zehnte Deutsche kann sich vorstellen, einen Entwicklungsdienst im Ausland zu leisten. Viele andere haben ebenfalls Interesse – jedoch auch Vorbehalte. Dabei kennen die Wenigsten die vertraglichen Grundlagen und Rahmenbedingungen.*
So geht es auch Eva und Pablo**. Sie haben viele Fragen rund um das Thema Entwicklungsdienst. Die Antworten hat Andrea Berg – Mitglied der Arbeitsgruppe „Soziale Sicherung und Verträge von Entwicklungshelfer*innen“ bei der AGdD und Teamleiterin bei AGIAMONDO.

* Ergebnisse einer von der AGdD beauftragten Zielgruppenanalyse des comX Instituts 2019/2020
** Zwei fingierte Personen, die sich für den Entwicklungsdienst interessieren.

Interview

Eva: Ich kann mir vorstellen, eine Zeit lang im Ausland zu arbeiten. Ich würde mich gerne dort einbringen, wo die Lebensbedingungen schwieriger sind und wünsche mir eine sinnstiftende Tätigkeit. Aber wird ein Entwicklungsdienst überhaupt bezahlt?

Ja, auch im Entwicklungsdienst gibt es eine Bezahlung. Im Entwicklungshelfer­-Gesetz (EhfG) ist vorgegeben, dass Fachkräfte im Entwicklungsdienst zwar einen Dienst ohne Erwerbsab­sicht leisten, aber finanzielle Mittel erhalten, die ihren Lebensunterhalt vor Ort sichern. Sie erhalten somit kein Gehalt im klassischen Sinne, sondern ein Unterhaltsgeld. Die Höhe dieses Unterhalts­geldes unterscheidet sich etwas bei den verschiedenen Entwicklungsdiensten, den Entsende­organisationen.

Darüber hinaus erhalten Sie während des Dienstes weitere Leistungen, beispielsweise werden Mietkosten vor Ort, Schulkosten und Versicherungen teilweise oder vollständig übernommen. Das Gesamtpaket kann man als eine durchaus gute finanzielle Ausstattung ansehen.

Andrea Berg

Pablo: Ich bin Spanier. Bei uns gibt es keinen Entwicklungsdienst für Fachkräfte. Kann ich mich auch bewerben – und gelten die gleichen Bedingungen wie für Eva?

Das EhfG ist zwar ein deutsches Gesetz, aber es gilt für alle EU­Bürger*innen, die älter als 18 Jahre sind. Sie können also auch einen Dienst nach dem Entwicklungshelfer­-Gesetz antreten und haben dann die gleiche soziale Absicherung wie Eva.

Andrea Berg

Pablo: In manchen Einsatzländern ist die medizinische Versorgung prekär. Was passiert, wenn ich dort krank werde? Muss ich selbst eine Auslands­Krankenver­ sicherung abschließen?

Die gesundheitliche Versorgung kann von Einsatzort zu Einsatzort sehr unterschiedlich sein. Nach dem EhfG muss für alle Fachkräfte und deren Familienangehörige, die mit ausreisen, ein umfassen­des Paket an Versicherungen abgeschlossen werden. Unter anderem auch eine Krankenversicherung. Diese beinhaltet dann auch die Möglichkeit, aus wichtigen medizinischen Gründen für eine Behandlung in ein Nachbarland oder nach Europa zu reisen sowie eine Rückholversicherung für medizinische Notfälle. Um diese Versicherungen müssen Sie sich nicht selbst kümmern, die werden über die jeweiligen Entsende­dienste abgeschlossen.

Andrea Berg

Pablo: Gibt es bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen, die ich mitbringen muss? In vielen Ländern herrscht ja zum Beispiel ein ganz anderes Klima. Brau­che ich spezielle Impfungen?

Als Fachkräfte müssen Sie sich vor dem Dienst gründlich medizinisch untersuchen lassen. Das gilt auch für Familienangehörige, die mit ausreisen. Diese Untersuchung findet in der Regel in einer tropenmedizinischen Praxis oder Klinik statt. Dabei werden sie über die gesundheitliche Situation im Ein­satzland unterrichtet und zum Thema Impfungen beraten.

Manche Dienste führen vorab ein psychologisches Gespräch, um die mentalen Voraussetzungen zu über­prüfen. Die Kosten dieser vorbereitenden Untersuchungen und der Impfungen, für die Sie sich entschei­den, übernehmen die Dienste.

Andrea Berg

Eva: Ich habe zwei kleine Kinder. Was müssen wir da berücksichtigen? Und wer trägt die zusätzlichen Kosten?

In der Regel enthalten die Ausschreibungen der Fachkraftstellen schon Hinweise darauf, ob die Einsatzorte familientauglich sind. Es gibt Stellen und Standorte, die für Familien nicht empfehlenswert sind. Aber es gibt genauso viele, die auch für Familien mit Kindern geeignet sind. Bereits im Rahmen der Auswahl werden Sie informiert und beraten, wie das konkret aussehen kann, wie beispielsweise die schuli­sche Situation ist oder die medizinische Versorgung.

Und was die Kosten anbelangt: Auch für mit ausreisende Familienangehörige garantiert das EhfG Familien­bestandteile beim Unterhaltsgeld, die Finanzierung der Flüge, der Versicherungen und so weiter. Wenn ihr*e Ehepartner*in im Einsatzland arbeitet, wird das Einkommen ab einer gewissen Einkommenshöhe auf das Unterhaltsgeld angerechnet bzw. verrechnet.

Andrea Berg

Eva: Und was ist, wenn ich während des Dienstes schwanger werde? Kann ich zur Geburt nach Hause kommen? Und habe ich ein Anrecht auf Mutterschutz und Elternzeit?

Da gibt es Unterschiede zwischen den Entsendediensten: Bei AGIAMONDO beispielsweise werden anteilige Flugkosten übernommen, wenn Sie für die Geburt nach Deutschland zurückkehren. Das umfasst der Versicherungsschutz für unsere Fachkräfte. Sie haben auch Anspruch auf die üblichen Mut­terschutzzeiten und können dann nach deren Ende Ihren Dienst am Einsatzort wiederaufnehmen.

Eine Elternzeit ist allerdings leider nicht möglich. Stattdessen gibt es die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen während des ersten Lebensjahres Ihres Kindes für sechs Monate in Teilzeit zu arbeiten.

Andrea Berg

Eva: Wie sieht es mit Schulen für die Kinder vor Ort aus? Gibt es deutsche oder internationale Schulen? Welche Kosten kommen da auf uns zu?

Vor Ort gibt es in der Regel nationale, internationale und teilweise auch deutsche Schulen. Als Fachkraft obliegt es Ihnen, selbst eine Schule für die Kinder auszusuchen. Die Schulkosten werden zu­ mindest zu einem sehr großen Teil, bei vielen Diensten aber auch vollständig übernommen.

Andrea Berg

Pablo: In manchen Einsatzländern herrscht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, etwa durch politische Unruhen, Kriminalität oder Naturkatastrophen. Werde ich darauf vorbereitet? Und wer kümmert sich um uns, wenn etwas passiert?

In der Regel absolvieren Fachkräfte und auch deren Familienangehörige ein Sicherheits­training, bevor sie ausreisen. Dessen Intensität hängt natürlich auch vom Einsatzland und dessen spezi­fischen Risiken ab.

In der Regel gibt es vor Ort Strukturen und Institutionen, die bei Sicherheitsthemen behilflich sein können. Die Dienste selbst halten auch direkt Kontakt mit Ihnen und umgekehrt. Es findet ein regelmäßiger Aus­tausch mit Ihrer Entsendeorganisation statt. Im Fall von sehr kritischen Sicherheitslagen können dann auch die Botschaft vor Ort und das Auswärtige Amt aktiv werden, um beispielsweise im Extremfall Evakuie­rungen durchzuführen.

Andrea Berg

Pablo: Was passiert, wenn es mir beispielsweise durch belastende Umstände im Einsatzland psychisch nicht gut geht?

Bei AGIAMONDO sind wir in solchen Fällen für unsere Fachkräfte stets ansprechbar. Wir versuchen bei Problemfällen zunächst schnell zu klären, wo die Ursachen liegen.

Dann schauen wir, welche Maßnahmen sinnvoll sind – ob wir eine Supervision oder ein Coaching anbieten können oder auch eine psychologische Beratung. Es gibt also viele Möglichkeiten der Hilfestellung. Und bei anderen Diensten ist das ähnlich.

Andrea Berg

Eva: Bei einem Vertrag von zwei oder mehr Jahren möchte ich zwischendurch auch mal Urlaub in der Heimat machen und Freunde und Familie besuchen. Ist das möglich und werden die Reisekosten übernommen?

Ja, das ist möglich. Die Dienste haben unterschiedliche Modelle, um Heimreisen finanziell zu unterstützen. Es gibt Vorgaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent­wicklung (BMZ), was gezahlt werden darf, und das gestalten die Dienste dann selbst aus: Manche zahlen einen Heimflug, andere beispielsweise ein dreizehntes Unterhaltsgeld, um damit den Heimaturlaub zu finanzieren.

Andrea Berg

Eva: Wenn wir dann zurückkommen – können wir Arbeitslosengeld bekom­men? Und gibt es Unterstützung bei der Rückkehr?

Nach Ende des Entwicklungsdienstes haben Sie Anspruch auf Arbeitslosengeld I in Deutsch­land. Wir bei AGIAMONDO laden Sie zu den Rückkehrtagen ein – das ist ein wichtiger Teil des Vertragsen­des. Und das AGdD Förderungswerk bietet Seminare und Beratung zur beruflichen Wiedereingliederung an (s. S. 22 und S. 27). Es gibt auch Netzwerke und Veranstaltungen für ehemalige Fachkräfte – Sie werden nicht alleine dastehen.

Andrea Berg

Das Interview als PDF