60 Jahre BMZ – Interview
Die globalen Probleme lassen sich nur mit unseren Partnern auf Augenhöhe lösen
Vor 60 Jahren, im November 1961, nahm das „Bundesministerium für wirt schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) seine Arbeit auf. Seit 2018 leitet Professor Dr. Claudia Warning die Abteilung 3 im BMZ, die unter anderem auch für Grundsatzfragen der Zusammenarbeit mit der Zivilgesell schaft und privaten Trägern zuständig ist. Anlässlich des BMZ-Jubiläums sprach AGdD-Geschäftsführerin Dr. Gabi Waibel mit Dr. Warning über Wandel, Schwerpunkte und Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit und des Entwicklungsdienstes.
Das ganze Gespräch finden Sie in Ausgabe 2021-1 unserer Zeitschrift transfer.
Frau Warning, das BMZ hat 1961 als „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ mit 34 Mitarbeiter*innen klein angefangen, 2014 waren es circa 800, heute sind es mehr als 1.200. Über die Jahre wurden Zuständigkeiten und Budget des Hauses immer wieder hinterfragt und verhandelt. Zunächst interessiert uns: Warum ist es wichtig, dass es für die Entwicklungspolitik ein eigenes Ministerium gibt?
Es ging bei der Gründung des Ministeriums in den frühen 60er Jahren darum, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen, und auch darum, etwas zurückgeben zu wollen. Das prägt das Haus bis heute. In anderen Ministerien stehen in der internationalen Zusammenarbeit – richtigerweise – ganz andere Fragen im Vordergrund, zum Beispiel „Was ist das deutsche Interesse?“ Unsere Besonderheit ist: Wir denken von den Partnern her. Was brauchen die Partnerländer? An welchem Punkt stehen sie gerade? Und mit dieser spezifischen Perspektive ist ein eigenständiges Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit ein wichtiger Teil der deutschen Politik.
In 60 Jahren hat sich die einstige Entwicklungshilfe zur internationalen Zusammenarbeit entwickelt. In dieser Zeit gab es Paradigmenwechsel, Erfolge und auch Rückschläge. Wo sehen Sie Kontinuität in der bundesdeutschen Entwicklungspolitik?
Auch wenn sich unsere Aufgaben in der internationalen Zusammenarbeit heute über sehr viele Bereiche erstrecken, so gibt es über die Jahre doch Konstanten: Der Bildungsbereich zählt beispielsweise dazu, auch die Arbeitsfelder Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährungssicherung, gute Regierungsführung und deren Unterstützung. Inzwischen sind weitere Themen hinzugekommen wie Digitalisierung, Pandemiebekämpfung, Klimawandel, Globalisierung und weltweiter Austausch. Und dann geht es heute nicht mehr vorrangig um das klassische Helfen, sondern unsere Orientierungspunkte sind das Pariser Klimaabkommen und die SDGs.
Die 2011 herausgegebene Jubiläumsschrift „Auf Augenhöhe. 50 Jahre BMZ“ definiert drei Phasen der Geschichte des Ministeriums: die Aufbauphase (1961 - 74), die Konsolidierungsphase (1974 - 91) und die Reformphase (1991 - 2011). Welche Überschrift würden Sie der Phase seit 2011 geben und was wären die wichtigsten Stichworte, um diese zu beschreiben?
Das BMZ entwickelt sich zu einem Zukunftsministerium, das global und nachhaltig denkt und handelt und die Zukunftsfragen der Menschheit in den Blick nimmt: vom Klimawandel über Flucht und Migration, ganz aktuell Pandemiebekämpfung bis zum Thema Biodiversität. Für Minister Gerd Müller haben dabei in den vergangenen acht Jahren vor allem die Fragen von Gerechtigkeit und Ungleichheit eine ganz zentrale Rolle gespielt. Dann prägt das Thema „Konflikte“ zunehmend unsere Arbeit – der Syrienkonflikt, Venezuela, Myanmar, Sahel, Sudan, ... seit gut zehn Jahren müssen wir uns immer stärker damit auseinandersetzen, wie wir mit Konflikten umgehen.
Die Aufgaben des BMZ sind also umfangreicher und komplexer geworden, der Etat hat sich in den letzten acht Jahren verdoppelt. Sind Sie mit der offensichtlich wachsenden Bedeutung und der Rolle des BMZ in der deutschen Politik zufrieden?
Ich beobachte, dass im Regierungsressortkreis immer deutlicher wird, dass wir einen spezifischen Blick auf die Fragestellungen der internationalen Zusammenarbeit haben und auch methodische Kompetenzen mitbringen, über die kein anderes Ministerium verfügt. Deutschland nimmt eine größere Rolle in der Welt ein und wir müssen so vorgehen, dass die verschiedenen Ressorts ihre Potenziale einbringen können. Ein Beispiel: Gemeinsam mit dem Umweltministerium, dem Auswärtigen Amt und dem Landwirtschaftsministerium bieten wir gerade Indien eine SDG- und Klimapartnerschaft an. Jedes dieser Ressorts ist dort bereits aktiv, nun wollen wir in einem kohärenten, ressortgemeinschaftlichen Ansatz die verschiedenen Kompetenzen bündeln. Wenn Indien und Deutschland gemeinsam Klimafragen weiter nach vorne bringen sollen, dann kann das kein Ressort alleine leisten. Wir müssen vielmehr unsere Kompetenzen miteinander verknüpfen. Und das BMZ bietet in diesem Zusammenhang unter anderem den partnerorientierten Blick.
Das Interview ist erschienen in transfer Ausgabe 1/2021 "Arbeiten als Führungskraft". Das Gespräch führte AGdD-Geschäftsführerin Dr. Gabi Waibel.