Unterstützung vor, während und nach dem Dienst
Psychische Gesundheit im Entwicklungs- und Zivilen Friedensdienst
Die psychische Gesundheit und das Wohlergehen der Fachkräfte spielen im Entwicklungs- und Zivilen Friedensdienst eine große Rolle. So unterschiedlich die Aufgaben sind, letztlich handelt es sich im Entwicklungsdienst insbesondere um eine beratende Tätigkeit und die Fachkraft selbst ist das wichtigste ‚Werkzeug‘. Daher ist klar: Wer andere erfolgreich unterstützen will, muss auch auf sich selbst achten.
Das eigene Wohlergehen und das der Anderen zugleich im Blick zu haben, ist ein wichtiger Teil der Professionalität im Entwicklungsdienst. Denn im Grunde ist Entwicklungszusammenarbeit immer Beziehungsarbeit und der Kontakt mit den Partnerorganisationen vor Ort ist entscheidend für das Gelingen der Projekte. Fachkräfte sind nicht als Macher*innen und Expert*innen sondern vielmehr als begleitende Berater*innen tätig, die die lokalen Kräfte in ihrem Tun unterstützen. Um diese Rolle bestmöglich ausfüllen zu können, ist die Selbstfürsorge als Teil der Professionalität im Friedens- und Entwicklungsdienst von großer Bedeutung.
Wie werde ich als Fachkraft im Entwicklungsdienst von den Trägern unterstützt?
Die Organisationen (Träger), die Personal in den Entwicklungsdienst entsenden, haben eine Fürsorgeverantwortung für ihre Fachkräfte. Die Arbeit im Entwicklungs- und Zivilen Friedensdienst ist anspruchsvoll und mit vielen Herausforderungen verbunden. Fachkräfte sind mit Leid, Gewalt und Ungerechtigkeit konfrontiert, häufig von Freunden, Familie oder ihren kraftspendenden Ressourcen getrennt und müssen oftmals lernen, mit Alltagsstress, Einsamkeit oder Gefühlen von Hilflosigkeit und Ohnmacht umzugehen.
Da diese Herausforderungen mit dem Arbeitskontext verbunden sind, geht es nicht nur um die Frage, wie eine Fachkraft selbst gut für sich sorgen kann. Auch die Träger unterstützen die Fachkräfte im Rahmen ihrer psychosozialen Personalbegleitung* in allen Phasen des Entwicklungsdienstes mit verschiedenen Angeboten.
Dies schließt sowohl direkte Unterstützungsmaßnahmen als auch strukturelle Aspekte mit ein. Letztlich geht es nicht nur um einzelne Instrumente der Gesundheitsförderung, sondern auch darum, eine achtsame Organisationskultur zu etablieren.
Was die Träger selbst tun
Die Trägerorganisationen sind die zentralen Anlaufstellen für ihre Fachkräfte. Während des Dienstes sind meist auch die Partnerorganisationen (PO), bei denen viele Fachkräfte in den jeweiligen Ländern arbeiten, mitverantwortlich für das Wohlergehen der Fachkraft. Die Träger organisieren die Personalbegleitung, sind wichtige Schnittstelle zwischen PO und Fachkraft und kümmern sich um die strukturellen Rahmenbedingungen des Einsatzes.
Was sie mit Hilfe von Externen anbieten
Einige Begleitelemente bieten die Träger mit Hilfe von externen Fachleuten an: So werden z.B. Vorbereitungskurse zum Thema „Umgang mit Belastung, Stress und Trauma“ vielfach von freien Trainer*innen geleitet, während des Dienstes stehen externe Supervisor*innen/Coaches für die Reflexion der Arbeits- und Lebenssituation der Fachkraft zur Verfügung und nach Dienstende haben Fachkräfte Anspruch auf die Unterstützungsangebote der AGdD zur beruflichen Orientierung und zum Rückkehrprozess
Wie sich Fachkräfte gegenseitig eine Stütze sind
Um die psychische Gesundheit zu stärken, ist vielfach auch der Austausch mit anderen Fachkräften hilfreich. Im besten Fall greifen Selbstfürsorge und organisationale Fürsorge Hand in Hand. Die Träger können Räume schaffen, in denen sich Fachkräfte gegenseitig unterstützen und als Gruppe voneinander profitieren. Vielfach initiieren Fachkräfte eigenständig Gelegenheiten für Vernetzung oder kollegiale Beratung und können das im besten Fall in ihrer Arbeitszeit tun.
Unterstützung vor dem Dienst und in der Vorbereitungszeit
Die Unterstützungsangebote seitens der Träger sind fester Bestandteil des Fachkräfteeinsatzes. Dafür erarbeiten die Träger Konzepte zur Personalbegleitung, so dass allen Beteiligten klar ist, welche Angebote wann und wie zur Verfügung stehen.
Bereits bei den Auswahlgesprächen achten die Träger auf viele Fähigkeiten – auch auf Selbstfürsorgekompetenzen – die den Fachkräften später im Einsatz nützen.
Die Referent*innen in den Geschäftsstellen der Träger koordinieren die Vorbereitung der Fachkräfte, klären Fragen und organisieren die vertraglichen Rahmenbedingungen mit ihnen.
Die intensive Vorbereitungszeit besteht dann vor allem aus Seminaren und Trainings, z.B. zu Stressmanagement, Umgang mit Konflikten, Sicherheit u.v.m. Im besten Fall können Fachkräfte zudem bereits ihre*n zukünftige*n Coach/Supervisor*in persönlich kennenlernen und Stresspräventionstage mit ihr / ihm machen.
Unterstützung während des Dienstes
Während des Dienstes begleiten weiterhin die Geschäftsstellen in Deutschland die Fachkräfte, zusätzlich sind bei vielen Trägern Regional- oder Länderkoordinator*innen vor Ort als direkte Ansprechpersonen für die Fachkräfte zuständig. Wer die Projektberichte der Fachkräfte liest oder mit ihnen Jahresgespräche führt, ist daher je nach Setting unterschiedlich. Wenn die Fachkraft in eine Partnerorganisation integriert ist, ist sie zudem in die Personalstruktur dort eingebunden.
Oftmals unterstützen sich die Fachkräfte gegenseitig, vor allem dann, wenn sie in Teams arbeiten. Teilweise gibt es im Team geschulte Ansprechpersonen für Selbstfürsorge, die die Achtsamkeit für das Befinden immer wieder auf die Agenda bringen. In manchen Fällen können auch Teams Begleitung in Anspruch nehmen: präventiv mit Teambuilding-Tagen oder Teamsupervision, ggf. auch durch Mediation und Krisenintervention.
Bei einigen Trägern gibt es auch eine Interessensvertretung der Fachkräfte oder Ombudspersonen, die für verschiedene Fragen und insbesondere in Konfliktfällen ansprechbar sind.
Auf Regionaltreffen, Fachtagungen und anderen Zusammenkünften können Fachkräfte die Chance zur Vernetzung und zum informellen Beisammensein nutzen. Auf solchen Treffen gibt es häufig auch eigene Einheiten für Intervision (kollegiale Beratung), so dass Fachkräfte ein eigenes Anliegen mit der Gruppe besprechen können.
Vor allem im Zivilen Friedensdienst bekommen die Fachkräfte auch Supervision/Coaching und können in regelmäßigen Einzelgesprächen ihre Arbeit reflektieren und im Tun innehalten, um die Perspektive zu wechseln.
Durch Fortbildungen oder gezielte Fach- und Projektberatung können sich Fachkräfte zusätzliches Know-How ins Projekt holen, das sie dort aktuell benötigen. In dem Zusammenhang wird auch deutlich, dass gutes Wissensmanagement ebenfalls Fürsorge bedeutet: Fachkräfte erleben es als Unterstützung, von Erkenntnissen anderer zu profitieren und auch selbst ihr Wissen weitergeben zu können.
In Krisensituationen greift das Sicherheitsmanagement, das verschiedene Ebenen mitdenkt und auch psychosoziale Notfallversorgung beinhaltet. Je nach Sicherheitsstufe des Einsatzlandes haben Fachkräfte im Rahmen von sog. „Rest & Recreation“ ein Anrecht auf regelmäßige Auszeiten außerhalb des Konfliktkontexts.
Für Ehepaare und Fachkräfte mit Kindern, die mitausreisen, gibt es oftmals besondere Angebote. So werden sie nicht nur in eigenen Ausreiseseminaren vorbereitet, sondern haben auch während der Auslandszeit Anspruch auf einige psychosoziale Begleitelemente.
Unterstützungsangebote am Ende des Dienstes und danach
Wenn sich der Einsatz dem Ende zuneigt, gibt es bereits im Einsatzland viele Dinge zu regeln. Die Organisationen stellen dafür vielfältige Informationen zur Rückkehr bereit, die Koordinator*innen führen Übergabegespräche oder leiten fachliche Auswertungen gemeinsam mit der Partnerorganisation an.
Nach Dienstende und Rückreise führen die Fachkräfte Abschlussgespräche mit Mitarbeitenden der Geschäftsstellen, die meist primär auf das Projekt bezogen sind. Das psychosoziale Debriefing lassen viele Träger von externer Seite durchführen. Entweder machen Fachkräfte diese Auswertung auf persönlich-emotionaler Ebene mit ihren Supervisor*innen/Coaches, mit denen sie schon während des Dienstes gearbeitet haben, oder es gibt gesonderte Angebote dafür. Zum Teil kann das Coaching/die Supervision auch noch einige Zeit nach Dienstende fortgeführt werden. Falls es notwendig sein sollte, steht oft auch psychosoziale Notfallversorgung durch Fachpersonal bereit.
Des Weiteren werden bei den meisten Trägern Rückkehrseminare angeboten, bei denen die Fachkräfte sich – durch eine*n Supervisor*in angeleitet – in einer Gruppe mit anderen Rückkehrenden austauschen können. Hierfür werden auch die Seminare der AGdD sehr geschätzt, die vor allem für die berufliche Reintegration eine Hilfestellung bieten (neben weiteren Angeboten, wie der individuellen Beratung, der Zeitschrift transfer etc.). Zum Teil gibt es auch nach der Rückkehr eigene Seminare für binationale Familien und Third-Culture-Kids.
Ein guter Abschluss hat wiederum mit guter Beziehungsgestaltung zu tun. Viele Träger bemühen sich daher um mehr Alumni-Arbeit und stärkere Einbindung der rückgekehrten Fachkräfte. So gibt es bei manchen Trägern Rückkehrendenausschüsse oder Projektgruppen, in denen die Fachkräfte weiter mitwirken können. Darüber hinaus berichten einige Fachkräfte im Rahmen von Vorträgen und entwicklungspolitischer Bildungsarbeit von ihren Erfahrungen, manche arbeiten mit Hilfe von Rückkehrstellen an den Projekten weiter, andere engagieren sich später als Vereinsmitglieder in ihren Trägerorganisationen.
*Was ist mit Personalbegleitung gemeint?
„Psychosoziale Personalbegleitung umfasst alle Elemente, die das Personal unterstützen und begleiten und die von der arbeitgebenden Organisation angeboten oder von den Mitarbeitenden selbst im Rahmen der Arbeit initiiert werden, um das Wohlergehen der Mitarbeitenden zu fördern, ihre Professionalität zu stärken und ihre Arbeitskraft zu erhalten, indem sie vor Gefährdungen im Kontext der Arbeit geschützt werden und Lernen, Entwicklung und Potentialentfaltung sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene ermöglicht werden.
Als psychosozial zeichnet sich die Personalbegleitung aus, wenn dabei zugleich innere und äußere Aspekte und deren Wechselwirkungen berücksichtigt werden.“
Über die Autorin
Dr. Daniela Pastoors hat zur psychosozialen Personalbegleitung im Zivilen Friedensdienst promoviert und dabei die Perspektiven von Fachkräften, Trägern und Supervisor*innen einbezogen. Sie ist Friedens- und Konfliktforscherin und -beraterin und hat an der Universität Marburg zu Konflikttransformation, Gewaltfreier Kommunikation, Moderation und psychosozialer Beratung gelehrt. Seit ihrer Zeit als Menschenrechtsbeobachterin auf den Philippinen befasst sie sich mit Fragen der Begleitung für Auslandsfachkräfte und Aktivist*innen. Aktuell ist sie Geschäftsführerin beim deutschen Zweig des International Fellowship of Reconciliation.
Für die AGdD hat sie Fachgespräche zum Thema „Psychosoziale Begleitung von Fachkräften“ mitgestaltet und ihre Expertise durch Vorträge und Recherchen eingebracht. Die hier dargestellten Ausführungen beruhen auf ihren Forschungserkenntnissen, die hier ausführlich nachlesbar sind:
Pastoors, Daniela (2021): Von der Duty of Care zur Culture of Care - Psychosoziale Personalbegleitung für Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes. tredition: Hamburg.
Online abrufbar unter: https://doi.org/10.17192/z2021.0321 und als Print-Buch unter: https://shop.tredition.com/booktitle/Von_der_Duty_of_Care__zur_Culture_of_Care/W-1_166070